Austin/Texas
Es ist der Tag danach, und Leticia van de Putte schwelgt im Hochgefühl der Niederlage. Sie – und mit ihr die Demokraten – hat die Abstimmung im texanischen Senat verloren. Doch der Jubel ihrer Partei, in Austin wie in Washington, ist ihr gewiss. So sagt van de Putte ernsten Blickes bedeutungsschwere Sätze. Sie spricht von einer "Machtanmaßung" der Republikaner. Das eben verabschiedete Gesetz über den Neuzuschnitt der Wahlkreise gefährde "die Demokratie in Texas und in Amerika".
In ihrem Büro im Kapitol sitzt sie, Abgeordnete aus San Antonio, dortselbst zur "Mutter des Jahres" erhoben, eine barocke Erscheinung im schwarzen Wallekleid. Umgeben hat sie sich mit einem bebilderten Erinnerungsschrein des eigenen politischen Aufstiegs von der Latina-Aktivistin zur Fraktionschefin. Eines der Bilder zeigt sie mit dem früheren Gouverneur, der ihr im Senatssaal einen Kuss gibt, nicht auf die Wange, sondern auf die Lippen. Unter das Foto hat George Bush geschrieben: "Für eine meiner Favoritinnen" – "Das war damals", sagt van de Putte streng. Damals, als Bush noch ein moderater, auch bei Demokraten respektierter Gouverneur war. Heute wird nicht mehr geküsst, und Bush erscheint van de Putte als jener Mann, der seine Kohorten ins heimische Texas schickt, um Mehrheiten zu manipulieren und seiner Partei auf Jahre die Macht in Washington zu sichern.