Anton Praetorius
Kämpfer gegen Hexenprozesse
und Folter
von Hartmut Hegeler
Großes
Aufsehen in Deutschland erregt das Buch "Gründlicher Bericht von
Zauberey und Zauberern", welches 1598 unter dem Namen eines Kamener Bürgers
veröffentlicht wird: Joannem Scultetum Westphalo camensem (Johannes
Schulze aus Kamen in Westfalen). Schonungslos attackiert der Verfasser die
unmenschlichen Hexenprozesse. Als einer der ersten Christen stellt er sich
gegen die Hexenverfolgung und fordert die Obrigkeit mit Argumenten aus der
Bibel auf, die unchristliche Folter von Angeklagten zu beenden.

Titelseite
vom Bericht von Praetorius 1598
Mit
drastischen Worten kritisiert er Rechtsbrüche und Grausamkeit der
Juristen: "O Ihr Richter, was macht Ihr doch? dass ihr schuldig seid
an dem schrecklichen Tod Eurer Gefangenen? Ihr seid Totschläger! Gott
schreibt es auf einen Denkzettel! Welche Richter zu der Ungerechtigkeit
Lust haben und unschuldiges Blut vergießen, werden in Gottes Hand zur
Rache verfallen und sich selbst in die unterste Hölle hinabstürzen!"
Wer so gegen
Hexenprozesse wettert, macht sich verdächtig, selbst ein Freund der Hexen
zu sein, und läuft Gefahr, vor ein Hexengericht gestellt zu werden. Die
Menschen rätseln, wer der Verfasser dieser brisanten Streitschrift ist,
welches in Lich (bei Gießen) gedruckt wird.
Große
Nachfrage führt dazu, dass die Exemplare des Buches schon bald verkauft
sind. Vier Jahre später erscheint die zweite Auflage, und nun bekennt
sich der frühere Kamener Theologe Anton Praetorius als Verfasser. Dieser
ist 1560 in Lippstadt als Sohn von Matthes Schulze geboren worden, hat
eine Ausbildung als Lehrer absolviert und tritt 1580 in der Hansestadt
Kamen eine Stelle in der Lateinschule an.
Der Mode der
Zeit entsprechend passt er seinen Namen der damaligen Weltsprache Latein
an und nennt sich fortan Praetorius. Um 1584 heiratet er, und im Frühjahr
1585 bringt seine Frau Maria in Kamen den Sohn Johannes zur Welt.

Die
Pauluskirche Kamen mit dem schiefen Turm (1150)
1586 stiften
wohlhabende Kamener Bürger eine größere Summe Geldes für Zwecke der
besseren Schulausbildung in Kamen. Stadtarchivar Kistner hat eine Urkunde
im Kamener Stadtarchiv gefunden, dass Anton Praetorius 1586 zum Rektor der
Lateinschule ernannt wird.
Die Spender
erklären in diesem Dokument (Stadtarchiv Kamen, Pergament-Urkunde 300a),
dass eine gute Schule jeder Stadt zu Nutzen und der geistlichen und
weltlichen Obrigkeit nützlich und heilbringend sei. Die Schule der Stadt
Kamen sei aber seit längeren Jahren nicht gut verwaltet. Die Jugend würde
übel erzogen und wachse als wilde Rangen auf. Dies habe hauptsächlich
seinen Grund, weil die Mittel der Unterhaltung der Schuldiener zu gering
seien und Kirche und Stadt wegen eigener Bedürftigkeit nicht zulegen können.
Deshalb wollen sie zur Vermehrung der Schulrenten beisteuern.
Von diesen
14 Bürgern, die sich an der Stiftung von insgesamt 1520 Thalern und 72
Thl. Rente pro Jahr beteiligen, sind in diesem Zusammenhang zwei Kamener
besonders zu erwähnen, denn sie unterstützen das Wirken von Anton
Praetorius 27 Jahre später noch einmal in einem dramatischen Augenblick:
-
Hermann
Reinermann, Bürgermeister, schenkt: 100 Thaler, 6 Thl. Rente,
-
Johann
Bodde, späterer Richter zu Camen, 30 Thaler, 2 Thl. Rente.
„Die
Schenker verpflichten sich, die Summen anzuweisen oder die Zinsen aus
ihren Gütern halb-jährlich auf Ostern und Michaelis zu entrichten. Aus
den Renten sollen die Schuldiener besoldet werden und zwar soll der
Primarjus M. Anton Praetorius
45 Daler, der zweite M. Lambert Ulentorpius 45 Daler haben pro Jahr. Der
Dritte M Jost Tifmann hat eine genügende Competenz (Zugeteiltes) von der
Stadt.
Das
alte Stadtgymnasium in Kamen
Außerdem
erhalten die Schuldiener das Schulgeld, welches pro Person auf 4 ß pro
Halbjahr gesetzt ist, und zwar bekommt der Rector
die Hälfte und die zweite Hälfte die beiden anderen. Die Donation soll
nur so lange Gültigkeit haben, als die Augsburger Confession in Kamen in
Übung ist; sollte Kamen durch die Obrigkeit oder von selbst zum leidigen
Papstthum und dessen verführerischer abgöttischer Lehre zurückkehren,
so sollen die Donatoren [Spender] oder deren Erben alles zurücknehmen können.“
Das Bedürfnis
dieser Kamener Bürger nach gehobener Bildung geht einher mit dem Aufblühen
der Stadt, dem Ausbau ihrer Handelsbeziehungen und einem Aufschwung des
Wirtschaftslebens. Im Mittelpunkt des Unterrichts steht die religiöse
Unterweisung. Der Vermittlung von gelehrter Bildung dient vor allem das
Lateinische. Es ist die Sprache der Gelehrten. Wer Latein kann, ist ein
angesehener Mann. So soll auch die Fähigkeit erworben werden, sich auf
Latein zu unterhalten. Dabei wechseln Auswendiglernen und Abhören
einander ab. Erstaunlich ist das Engagement dieser Bürger, die durch
Humanismus und Reformation beeinflusst, der Bildung durch ihre Spende
einen so hohen Stellenwert zumessen.
Schon bald
jedoch verlässt Anton Praetorius mit seiner Familie die Stadt Kamen und
zieht ins heutige Hessen. Die Gründe für den Ortswechsel sind uns
unbekannt - möglicherweise haben wiederholte Fehlgeburten seiner Frau den
Ausschlag gegeben, Kamen zu verlassen. 1596 stirbt seine Frau Maria an der
Pest, während Praetorius und sein Sohn Johannes überleben.
1587
verwaltet Praetorius als Diakon in Worms den Kirchenkasten für soziale
Belange. 1592 wird
er Pfarrer in Dittelsheim
und besucht 1593 das nahe gelegene Herrnsheim in Worms mit dem großen
Schloss der Dalberger. Dabei wird er Zeuge des Dalberger Hexenprozesses.
Unter schrecklichen Foltern haben Hesslocher Frauen gestanden, Hexen zu
sein. Praetorius schreibt, dass "Männer und Weiber verbrannt worden.
Für deren Endurteil wurden vom Rathaus aus einem Fenster solche schändliche,
närrische und greiflich lügenhafte Dinge von teuflischer Gemeinschaft
und Wettermachen öffentlich vorgelesen, dass mir das Zuhören wehe täte
und ich mich für keuschen Ohren schämen müsste, dieselben zu erzählen."

Evangelische
Kirche Dittelsheim
1594 reist Praetorius von Dittelsheim über
Worms nach Heidelberg, dem Zentrum reformierter Theologie. Praetorius ist
von der Universitätsstadt am Neckar tief beeindruckt. Nach seiner Rückkehr
befragen ihn die Dittelsheimer Gemeindeglieder ausführlich nach dem Großen
Fass, so dass er im Pfarrhaus von Dittelsheim im Oktober 1595 in
lateinischer Sprache die älteste Nachricht von dem großen Wein-Fass in
Heidelberg schreibt – schon damals eine touristische Attraktion. Darin
preist er das Fass als gottgefälligen Beweis für die Überlegenheit
seines reformierten Glaubens.
Abbildung
der Titelseite von Praetorius "Vas Heidelbergense" (Fass von
Heidelberg) geschrieben in Tutelsheim (Dittelsheim)

Lebensstationen
von Praetorius
1597
avanciert Praetorius als reformierter Pfarrer zum fürstlichen Hofprediger
in Birstein (bei Frankfurt/M). Bald ernennt ihn der Graf zum Mitglied des
fürstlichen Gerichts gegen vier Frauen, die als Hexen angeklagt sind.
In Zeiten
von Pestepidemien und unvorstellbaren Klimakatastrophen führen die
Menschen in ihrer abergläubischen Weise alle Schicksalsschläge auf
Schadenszauber zurück. So fordern im benachbarten Büdingen die
besorgten Bürger die Obrigkeit mit heftigen Protesten auf, das
"Hexengeschmeiß" aufzuspüren und auf den Scheiterhaufen zu
bringen.
Praetorius
ist erschüttert, mit welcher Grausamkeit der Richter die Angeklagten verhören
lässt. Unter schrecklichen Foltern sollen die Frauen zu dem Geständnis
gezwungen werden, dass sie einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und als
Hexen Schadenszauber an Menschen, Tieren und der Ernte verübt haben.
Solch ein Geständnis ist nach der kaiserlichen Halsgerichtsordnung wichtig,
denn nur dann kann die Todesstrafe verhängt werden.
Doch
Praetorius macht nicht mit. Er ist Christ, und sein Maßstab ist die
Bibel. Als fürstlicher Hofprediger wettert er derart heftig gegen die
Folter, dass der Prozess beendet und die noch lebende Gefangene
freigelassen wird. Dies ist der einzige überlieferte Fall, dass ein
Geistlicher während eines Hexenprozesses die Beendigung der unmenschlichen
Folter verlangt - und Erfolg hat. Der Schreiber der gräflichen
Kanzlei hält diesen ungewöhnlichen Vorfall fest: „Weil der Pfarrer
alhie heftig dawieder gewesen, als man die Weiber peinigte, also ist es
diesmal deßhalben unterlassen worden.“
Auszug
aus dem Protokoll des Hexenprozesses gegen vier Rindenbügener Frauen 1597
Praetorius erreicht,
dass die letzte noch lebende Frau aus der Folterkammer freigelassen wird.
Der Graf entlässt seinen Hofprediger umgehend. Praetorius hat Glück,
dass er nicht selbst auf dem Scheiterhaufen landet - als Freund der Hexen.
In Laudenbach/
Bergstrasse in der Nähe von Heidelberg findet Praetorius eine neue
Pfarrstelle. Dort schreibt er 1598 ein Buch gegen die unchristlichen
Hexenprozesse. Aus Angst vor möglicher Verfolgung veröffentlicht er den
„Gründlichen Bericht über Zauberey und Zauberer“ zunächst unter dem
Pseudonym "Joannem Scultetum Westphalo camensem" - dem Namen
seines in Kamen geborenen Sohnes Johannes. 1602 wagt er, die zweite
Auflage unter seinem eigenen Namen zu publizieren.
Pfarrhaus
Laudenbach von Pfr. Praetorius
Er widerlegt von der
Bibel und von der Vernunft her alle Vorwürfe gegen Zauberei (= Hexerei)
und fordert, dass das Vergebungshandeln Christi auch für Angeklagte in
Hexenprozessen gelten müsse. Die Justiz und Obrigkeit attackiert er
heftig wegen ungesetzlicher Anwendung der Folter. Er beschreibt die
unmenschlichen Haftbedingungen und Foltermethoden, die zum Teil heute noch
in vielen Ländern der Welt angewendet werden. Deswegen ist Praetorius von
einer niederländischen Schriftstellerin als Vorläufer von "amnesty
international" bezeichnet worden.
Gegen die Hexenverfolgung erheben sich vereinzelte Stimmen von
Christen, oft unter dem Risiko selbst verfolgt zu werden. Das Wissen über
evangelische Gegner der Hexenverfolgung ist aber im Dunkel der
Vergangenheit fast völlig untergegangen. Dieses Schicksal widerfährt
auch Anton Praetorius. In Lehrbüchern der Kirchengeschichte wird
heutzutage Praetorius oft nicht erwähnt.

Titelseite
des Berichtes von Praetorius 1602
Um
1600 beginnt sich in der evangelischen Kirche überkonfessionelle
Opposition gegen die Hexenverfolgung zu formieren. Der reformierte Pfarrer
Anton Praetorius hat viele Jahre die theologische Position der Lutheraner
als "wider-christlich" bekämpft. Als 1613 neue Hexenverfolgungen
ausbrechen, gibt Praetorius sein Buch in dritter Auflage heraus. Es überrascht,
dass er der dritten Neuauflage seines Berichtes über "Zauberey"
ein kritisches Gutachten lutherischer (!) Theologen aus Nürnberg aus dem
Jahr 1602 anfügt. So wird sein "Bericht" von 1613 ein überkonfessioneller
Appell gegen Folter und Hexenprozesse.
In
seinem Kampf gegen Hexenprozesse und Folter erhält Anton Praetorius
Unterstützung und Förderung von Gesinnungsgenossen in ganz Deutschland.
Die lange Liste der Widmungen in seinem Buch von 1613 zeigt, dass es in
der Kurpfalz und in ganz Deutschland unter Theologen und angesehenen Persönlichkeiten
des öffentlichen Lebens etliche Kritiker der Hexenprozesse gibt.
Auf der
Widmungsseite seines Buches hebt er die Unterstützung von vielen
kirchlichen Mitarbeitern hervor: Menschen
aus Danzig, aus der Gegend von Kreuznach, Oppenheim, Nierstein,
Wachenheim, Bensheim, Sprendlingen und Sieffersheim, aus Unna, Kamen,
Heidelberg und sogar aus Pommern. Ihnen widmet er sein Buch.

Titelseite
des Berichtes von Praetorius von 1613
Diese
Widmungen zeigen, dass Praetorius viele persönliche Beziehungen in ganz
Deutschland hat, die ihm so wichtig sind, dass er sie in seiner
Kampfschrift gegen Hexenprozesse und Folter an hervorgehobener Stelle
ausdrücklich erwähnt. Dies sind die Menschen, von denen Praetorius sich
unterstützt weiß und die ihm möglicherweise auch Geld für den Druck
des Buches gegen Hexenprozesse und Folter geben.

Titel-
und Widmungsseite des Berichtes von Praetorius von 1613
In Rheinhessen sind
dies:
Johannus
Althusius, bis 1610 Hofdiakon in Heidelberg, dann Diakon und seit 1611
Pfarrer in Wachenheim. Seine beiden Brüder leben in Holland, der eine
Pfarrer, der andere Arzt.
Johannus Meierus, Prediger zu Bensheim,
wirkt seit 1610 als Diakon in Bensheim.
Wimarus Stipelius, Pfarrer zu
Sprendlingen (bei Alzey), 1572 in Stypel bei Blankenstein in Westfalen
geboren und vordem Hauslehrer der Edlen von Bodelschwingh. An seiner Seite
wirkt als Schulmeister in seiner Gemeinde der getreue Johannes Cisnerus,
der Anton Praetorius im Hexenprozess in Birstein beisteht.
Abelus à Creutzanus, Pfarrer zu
Sieffersheim.
Philippus Phildius, seit 1604 in der
Pfarrei Nierstein.
Valentinus Laupaeus
Ingelheimensis wirkt als Pfarrer und Inspektor zu Oppenheim. Er ist
dort schon vier Jahre Pfarrer, als Praetorius 1589 seinen Dienst an der
Katharinenkirche in Oppenheim als Diakonus beginnt.
Pfarrer
Johannes Hulsmannus wirkt als Inspektor (Superintendent) zu Kreuznach.
Daneben hebt
Praetorius die Unterstützung von sieben Bürgern aus seiner früheren
Heimat Kamen ("Camen") und Unna besonders hervor. Einige
genannte Kamener Bürger fanden anfangs schon Erwähnung: Bürgermeister
Hermann Reinermann, Richter Johann Bodde sowie Pfarrer Wilhelm Schulenius.
Sie haben die Kamener Lateinschule finanziell unterstützt, als Praetorius
1585 Rektor derselben war. Möglicherweise haben sie später mit der
reformierten Glaubensrichtung sympathisiert. Bürgermeister Reinermann
entsendet 1595 seinen Sohn Hermann zum Studium an die reformierte
Universität Heidelberg. Pfarrer Schulenius (Sohn des Bürgermeisters Jürgen
Schule) führt 1611 das reformierte Bekenntnis in Kamen ein.
Daneben
widmet Praetorius folgenden Unnaer Bürgern sein Buch: dem Richter Caspar
Fabricius, dem Rektor Thomas Gephyrander Salicetus, dem Juristen Wilhelm
Keltzerus und Heinrich Schultze, Bürger zu Unna.
Stadtkirche
Unna
Casparus
Fabricius ist Richter zu Unna. In den Urkunden wird er meist Casper
Schmitz genannt. Seine Familie ist in Konflikte um die Ratswahlen 1596 und
die Familie seiner Frau (von Büren) an Auseinandersetzungen um den Bau
von Solebrunnen und Salzwerken in Unna- Königsborn beteiligt. Diese
erhitzen 1603 die Gemüter in Unna und führen zu Tumulten und Prozessen
vor dem Reichskammergericht. Am 28. Mai 1593 legt Fabricius seinen Bürger-
und Richtereid vor dem Rat der Stadt Unna ab,
"dass er treu sein will dem Hern Johann Wilhelmen, Hertzoge zue Cleve
(...), Graffen zue der Mark." Es wirbelt viel Staub auf, als er
sich gleich im ersten Jahr mit Bürgermeister und Rat der Stadt Unna
anlegt und einen Rechtsstreit um Kompetenzen bei Haussuchungsrechten führt.
Thomas
Gephyrander Salicetus ist ein berühmter Wissenschaftler und wird wegen
seiner Weltweisheit gepriesen. Große Fertigkeit hat er in der
lateinischen Dichtkunst und betätigt sich in verschiedenen
Wissenschaften. Gephyrander" ist wohl die Gräzisierung des Namens
"Brückmann. Seinen Sohn Christoph schickt er 1610 zum Studium in die
Hochburg des reformierten Glaubens in die Universität Heidelberg - ganz
in die Nähe vom Wohnort von Praetorius in Laudenbach.
Der Jurist
Wilhelmus Keltzerus ist Doktor des römisch- katholischen Kirchenrechts (J.U.D
= Juris utriusque doctor).
Heinrich
Schultze, ´Burgern zu Unna`, ist wohl ein Verwandter von Praetorius,
dessen Familie ja auch Schulze heißt. In späteren Dokumenten im Kamener
Stadtarchiv (Papier-Urkunde 50 von 1629) erscheint Heinrich Schultze als Kämmerer
und Ratsverwandter in Unna. Die Schulzens (Scultetus) sind eine alte
eingesessene Familie, welche nach der Westfälischen Geschichte von Johann
D. von Steinen schon 1331 urkundlich erwähnt wird.
Jodocus
Praetorius ist ab 1. März 1613 als Student an der Universität Heidelberg
immatrikuliert. Er stammt aus Unna und heißt mit vollem Namen Jodocus
Praetorius Unnensis Westphalus. 1611 ist er Studierender des Pädagogiums
in Herborn. (Zur Person des Jodocus vergleiche unten das Buch
„Hexenbuhle“).
Diese
Widmungen zeigen, dass Praetorius weiterhin viele persönliche Beziehungen
zu den Hansestädten Kamen und Unna hat, die ihm so wichtig sind, dass er
sie in seiner Kampfschrift gegen Hexenprozesse und Folter an
hervorgehobener Stelle ausdrücklich erwähnt.
In Unna und
Kamen tobt um die Jahrhundertwende 1600 eine erbitterte Auseinandersetzung
zwischen Lutheranern und Reformierten. Da Praetorius und die in der
Widmungsseite aufgeführten rheinhessischen Pfarrer und Inspektoren zur
Avantgarde der reformierten Bewegung gehören, stehen möglicherweise auch
die genannten Kamener und Unnaer Persönlichkeiten der reformierten
Konfession nahe.
Viele Jahre
kämpft Praetorius, dessen Leben eng mit Unna und Kamen verbunden bleibt,
unter Einsatz seines Lebens gegen Folter und Hexenprozesse und trägt 30
Jahre vor dem bekannten katholischen Jesuiten Friedrich Spee von
Langenfeld seinen Anteil zur späteren Überwindung der Hexenverfolgung
bei.
Zum 400 jährigen
Gedenken hat der kreiskirchliche Berufsschulpfarrer Hartmut Hegeler das
Wirken dieses Kämpfers gegen den Hexenwahn in einer Biographie gewürdigt.
Der Evangelische Kirchenkreis Unna, der Landschaftsverband
Westfalen-Lippe, die hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst und
evangelische Landeskirchen haben die Herausgabe dieses Buches gefördert.
Im Internet
findet sich Näheres über die Publikation „Anton Praetorius - Kämpfer
gegen Hexenprozesse und Folter“: www.anton-praetorius.de

Buchautor
Hartmut Hegeler
Hartmut.Hegeler@gmx.de
Die
genannten Ereignisse sind Thema des Jugendbuches "Hexenbuhle".
www.fass-heidelberg.de
In der Erzählung
begegnet uns mit Jodokus Praetorius die möglicherweise einzige namentlich
bezeugte historische Gestalt eines Jugendlichen aus Unna aus dieser Zeit.
Aus seiner Sicht erzählt er das besondere Engagement seines Onkels Anton
Praetorius gegen die Verfolgung unschuldiger Menschen. Bald gerät
Jodokus, der 1614 in Heidelberg sein Studium abschließt, in die
dramatischen Ereignisse eines Hexenprozesses und einer Judenverfolgung
(dem sog. "Fettmilch-Aufstand" 1614 in Frankfurt/M.). Er erfährt,
wie wichtig es ist, sich eine eigene Meinung zu bilden und Zivilcourage
aufzubringen. Diese Geschehnisse werden durch abgebildeten
Originaldokumente illustriert. Deutlich wird, wie damals in Notzeiten Sündenböcke
gesucht - und gefunden wurden.

Ziel
des Buches ist es, den Opfern der Gewalt in Hexenprozessen und
Judenverfolgung aus der Zeit um 1600 ein ehrendes Gedenken zu setzen und
ihr Schicksal aus dem Dunkel der Vergangenheit herauszuholen und dem
Vergessen zu entreißen. Besonders der Einsatz von Anton Praetorius als
couragierter Kämpfer gegen Folter möchte Anstöße geben für ein
Engagement gegen Gewalt heute.
Lebensdaten
von Pfarrer Anton Praetorius
Praetorius
(von lat. „Praetor“ =
Vorsteher, Oberrichter, Schulze). Er setzt seinen Namen selber von
"Schulze" ins lateinische "Praetorius".
1560 im westfälischen Lippstadt als Sohn von Matthes Schulze
geboren, besucht die Lateinschule in Lippstadt und studiert Theologie. Er
erwirbt sehr gute Bibelkenntnisse.
1573 erlebt er in Lippstadt einen Hexenprozess mit.
1581 Mit 21 Jahren wird Praetorius in den Schuldienst in
Lippstadt berufen.
1585
im Frühjahr bringt seine Frau Maria in Kamen den Sohn Johannes zur
Welt.
1586
Rektor der Lateinschule in Kamen.
1587 lutherischer Diakon in Worms, verantwortlich für
Kirchkasten und soziale Belange
1589
als Diakon an der Katharinenkirche im kurpfälzischen Oppenheim.
Hier scheint er eindeutig dem reformierten Bekenntnis anzugehören.
1592 wird er Pfarrer in der kurpfälzischen Gemeinde
Dittelsheim.
1593 wird Praetorius in Worms Zeuge des Dalberger
(Hesslocher) Hexenprozesses.
1595
verfasst er im Oktober auf Latein die älteste Nachricht vom großen
Fass in Heidelberg.
1596
wechselt Praetorius nach Offenbach am Main in die Grafschaft
Ysenburg-Büdingen.
1596
stirbt Maria, die Frau von Praetorius, als er 36 Jahre alt ist. Er
heiratet wieder, doch die zweite Frau verstirbt am 12.Tag nach dem
Kirchgang an der Pest. Er verlobt sich ein drittes Mal, doch die dritte
Frau stirbt drei Tage nach der Abkündigung der Hochzeit.
1596
bis 1598 arbeitet er als fürstlicher Hofprediger in
Isenburg-Birstein. Umbau der kleinen Kapelle in Birstein zu einer Kirche.
1597 Am 8.2. Heirat mit Sibylle, der Tochter des
Pfarrers Pistorius aus Muschenheim/Lich.
1597
Am 6. März Buchveröffentlichung "Haußgespräch:
Christliebenden Eltern und Kindern zur Beförderung gottseliger Privatübung."
1597
Im Mai veröffentlicht Praetorius einen Katechismus
1597 Am 3.7. wird Praetorius Zeuge eines Prozesses gegen
vier Frauen aus Rinderbügen. Mit wütendem Protest setzt er sich für
diese Frauen ein. In den Akten heißt es:
,,weil der Pfarrer alhie hefftig
dawieder gewesen, das man die Weiber peinigte, alß ist es dißmahl deßhalben
underlaßen worden. Da er mit großem Gestüm und Unbescheidenheit vor der
Tür angericht den Herrn D. angefürdert und heftig CONTRA TORTURAM
geredet." Praetorius gelingt es, eine Frau aus der Folterkammer
zu retten.
Entlassung als Hofprediger durch Graf Wolfgang Ernst.
1598
Pfarrer in Laudenbach in der Kurpfalz. Praetorius richtet eine
Armenkasse ein und einen kirchlichen Friedhof.
1598
unter dem Pseudonym seines Sohnes Johannes Scultetus Camensis
Westphalo (aus Kamen in Westfalen) veröffentlicht er das Buch: "Von
Zauberey vnd Zauberern Gründlicher Bericht".
1602
fasst er in einer 2.Auflage des Buches den Mut, seinen eigenen
Namen als Autor zu verwenden.
1602 erscheint sein theologisches Hauptwerk "de
sacrosanctis Jesu Christi sacramentis"
1604
Am 1. Mai schreibt sich sein Sohn Johannes an der Universität in
Heidelberg ein.
1605 schließt Sohn Johannes das Studium der Philosophie
und Theologie mit dem Baccalaureat ab.
1612 Umbau der Kirche in Laudenbach:
"protestantische Tür"
1613
stirbt Sohn Johannes im Alter von 28 Jahren.
1613
Am 15. Juni hält Praetorius eine letzte Trauung in Weinheim.
1613
erscheint die dritte Auflage seines Berichtes über Zauberey und
Zauberer
1613
Am 6.12. stirbt Praetorius im Alter von 53 Jahren in Laudenbach/Bergstrasse.
1629
erscheint die vierte Auflage seines Berichtes über Zauberey und
Zauberer posthum.
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