Im Triumph zurück an Mailands Börse

Parmalat: Bis Ende 2003 stand der Name nicht nur in Italien für eine Vorzeigemarke wie in Deutschland Knorr oder Dr. Oetker. Der Konzern war einer der größten Hersteller von Milchprodukten weltweit, bot längst auch andere Produkte an. Dann steckte er plötzlich in einem milliardenschweren Wirtschaftsskandal.

Doch Parmalat hat sich wieder aufgerappelt. Heute ist die Firma an die Mailänder Börse zurückgekehrt. Die erste Notiz des Papiers mit einem Nennwert von einem Euro lag bei 3,15 Euro, fiel in einem schwächeren Marktumfeld dann jedoch auf etwa drei Euro (aktueller Kurs).

Von Jörg Seisselberg, ARD-Hörfunkstudio Rom

Es ist eine spektakuläre, fast triumphale Rückkehr – bemerkenswert für einen Konzern, der vor nicht einmal zwei Jahren den größten Finanzskandal in der europäischen Wirtschaftsgeschichte hingelegt hat. Ab heute wird Parmalat wieder an der Mailänder Börse notiert – und zwar gleich im begehrten Blue-Chip-Segmet, Seite an Seite mit Italiens solidesten und finanzkräftigsten Unternehmen. Die letzte Hürde für das Parmalat-Comeback haben die Klein­anleger aus dem Weg geräumt, die durch die Pleite Ende 2003 Milliarden verloren hatten. Sie stimmten der Umwandlung von Schulden in neue Aktien zu – in der Hoffnung, durch die Rückkehr des Konzerns an die Börse zumindest einen Teil ihres Geldes wieder zurückzu­be­kommen.

Der Handel lautet: Die Kleinanleger verzichten auf ihre im Prinzip wertlos gewordenen Obligationen und bekommen im Gegenzug Aktien des neuen Parmalat-Unternehmens. Der Umtauschwert hängt davon ab, wann welche Obligationen gekauft wurde. Nach Angaben eines Verbraucherverbands gilt aber die Faustregel: Für 100 Euro Obligationen bekommt jeder Kleinanleger Aktien im Wert von 11 bis 12 Euro.

Geschädigte Kleinanleger hoffen auf neuen Aufschwung

Die Parmalat-Geschädigten verzichten also auf fast 90 Prozent ihrer Forderungen, haben nun aber die Chance, von einem möglichen Aufschwung des Konzerns an der Börse zu profitieren. Der Parmalat-Chefsa­nie­rer Enrico Bondi zeigt sich mit dem Deal zufrieden: „Dass es eine hohe Zustimmung von 71 Prozent der Parmalat-Gläu­­­bi­ger gab, ist eine unmissverständlich deutliche Botschaft, dass es wie­der Vertrauen in das Unternehmen gibt.“ Dies spiegele sich auch in der guten Zusam­men­arbeit mit den Banken wieder, sagt Bondi.

Denn auch die Geldhäuser, die den alten Parmalat-Konzern mit Krediten gestützt hat­ten, verzichten auf einen Großteil ihrer Forderungen und akzeptieren dafür Anteile am neuen Unternehmen. Insgesamt halten die geschädigten Klein­anleger nun knapp 60 Prozent an Parmalat, die Banken etwa 30 Prozent, der Rest ver­teilt sich auf Lieferanten und andere ehemalige Kreditgeber. Insgesamt sollen heute in Mailand 1,6 Milliarden Aktien gelistet werden, mit einem Wert von je­weils einem Euro.

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Die Milch macht’s – und die Gerichte

Börsenexperten hatten schon im Vorfeld erwartet, dass das Parmalat-Papier gleich am ersten Tag einen großen Sprung nach oben macht. Der reale Wert der neue Aktie, schätzen Analysten, liege bei rund 2,50 Euro. Der Grund für so viel Optimismus: Der von der Regierung eingesetzte Insolvenzverwalter Bondi hat offensichtlich exzellente Arbeit geleistet. Unprofitable Bereiche wie Touris­mus oder Sport wurden schnell abgestoßen. Der Konzern konzentriert sich jetzt wieder auf sein Kern­geschäft mit Milch- und Fruchtsaftprodukten. In diesem Bereich gilt das Unter­nehmen als weitgehend gesund. Dem geschrumpften Parmalat-Konzern gelang es bereits im vergangenen Jahr etwas Gewinn zu machen.

Die neue Unternehmensführung hofft auch, dass demnächst durch Gerichtsurteile Geld in die Kasse kommt. Parmalat hat rund ein Dutzend Banken auf insgesamt über 50 Milliarden Euro Schadensersatz verklagt. Nach Ansicht des neuen Chefs Bondi haben die Geldhäuser die Betrügereien der alten Unterneh­mensführung um Parmalat-Gründer Calisto Tanzi jahrelang gedeckt. Der Konzern war Ende 2003 unter einer Schuldenlast von 14 Milliarden zusammen­gebrochen – unter anderem, weil Tanzi und andere Führungskräfte Bilanzen gefälscht und so Verluste für die Öffentlichkeit verschleiert haben.

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